CAPTN-Energy-Interview: Impulse geben für eine grünere Schifffahrt
12. März 2024CAPTN Energy startet in die Umsetzungsphase. Erste Projekte stehen kurz vor dem Start. Über die Ziele von CAPTN Energy informiert Prof. Dr. Frank Meisel (CAU) im Interview.
Lieber Herr Prof. Dr. Meisel. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, um ein paar Fragen zu CAPTN Energy zu beantworten.
Zunächst hätte ich gerne gewusst, welche Rolle Sie bei CAPTN Energy einnehmen.
Meisel: Ich bin Bündniskoordinator. Das bedeutet, dass ich mich um alles Organisatorische kümmere. Dazu gehört, dass ich die Netzwerkpartner zusammenbringe, Veranstaltungen mitorganisiere, unseren Beirat in unsere Aktivitäten einbeziehe, und dass ich auch irgendwie das Gesicht von CAPTN Energy in der Öffentlichkeit bin.
Also haben Sie eher eine Art Netzwerk- und Organisationsfunktion inne als die eines Projektleiters wie in unseren anderen CAPTN Projekten?
Das ist richtig. Aber ich bin nicht der einzige Akteur. Wir haben einen Mitarbeiter für Innovationsmanagement und einen für Strategieentwicklung, eine Steuerungsgruppe, den Beirat und die Projektagentur DSN Connecting Knowledge, die uns unterstützt. Ich bin vergleichbar mit der Spinne im Netz, die die Fäden zusammenhält.
Dann verstehe ich das richtig, dass CAPTN Energy kein Forschungs- und Entwicklungsprojekt ist, sondern eher eine Organisationseinheit, die Fördergelder an verschiedene Projekte verteilt?
Genau. CAPTN Energy ist von der Förderform her ein sogenanntes WIR!-Bündnis. WIR! steht für „Wandel durch Innovation in der Region“ und war themenoffen ausgeschrieben. Wir sind dort mit dem Vorschlag an den Start gegangen, auf unsere Region – in diesem Fall den Nord-Ostsee-Kanal – zu schauen und uns dort dafür einzusetzen, dass die Energiewende in der maritimen Wirtschaft vorankommt.
Wie kamen Sie auf die Idee für dieses Thema?
Wir sind hier eine sehr stark maritim geprägte Region – sowohl wirtschaftlich als auch wissenschaftlich und gesellschaftlich. Aber die maritime Wirtschaft, besser: die Schifffahrt, wird noch immer zu 99 Prozent mit nicht erneuerbaren Energieträgern betrieben. Hier müssen wir ansetzen und Veränderungen vor dem Hintergrund des Klimawandels gestalten. Und schließlich passt es einfach in die CAPTN-Vision. Das C in CAPTN steht für Clean und in diesem Sinne liefert CAPTN Energy hier einen Baustein, um diese Ziele erfolgreich zu erreichen.
Was genau macht CAPTN Energy?
Das WIR!-Programm ist so konzipiert, dass man sich mit einem Thema und einer Region bewirbt. Das haben wir getan. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Forschung (BMBF) hat entschieden, uns zu fördern. Es hat uns sozusagen seine Aufgabe, Forschungsgelder zu verteilen, übertragen und uns zunächst für einen Zeitraum von etwa zweieinhalb Jahren Mittel in Höhe von 8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Unsere Aufgabe ist es nun, die entsprechenden Vergabeverfahren aufzusetzen und festzulegen, welche konkreten Projekte mit diesem Geld gefördert werden.
Wie sieht das genau aus?
In einem ersten Schritt haben wir vergangenes Jahr einen ersten Projektaufruf zu Themen der maritimen Energiewende gestartet – vor kurzem folgte bereits der zweite Aufruf. Hier können alle Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft Projektvorschläge einreichen. Die Antragstellerinnen und Antragsteller skizzieren zunächst ihre Projekte, dann folgt ein mehrstufiges Verfahren. Die Auswahlentscheidung trifft ein externer, unabhängiger Beirat. Er setzt sich aus Expertinnen und Experten von außerhalb unserer Bündnisregion zusammen. Er entscheidet über die Förderwürdigkeit auf der Grundlage unseres thematischen Rahmens, der eingereichten Projektskizzen und in einem zweiten Schritt der ausführlichen Anträge und Pitches, die die Antragsteller dann vor dem Beirat halten.
Und wie sieht dieser thematische Rahmen aus?
Bei CAPTN Energy geht es um die Energieversorgungskette. Wenn wir eine grünere Schifffahrt haben wollen, dann müssen wir Energieträger erzeugen, die aus erneuerbaren Energien kommen, wie Photovoltaik, wie Windkraft, vielleicht auch aus Biomasse. Diese Energieformen müssen aber in mehrstufigen Prozessen umgewandelt werden – zum Beispiel durch Elektrolyse in grünen Wasserstoff. Aber: Grüner Wasserstoff hat ein sehr großes Volumen, deshalb wird man ihn für die Schifffahrt wahrscheinlich in Methanol oder Ammoniak umwandeln. An Bord der Schiffe muss er dann wieder rückverwandelt werden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer durchgängigen Energieversorgungskette. Viele infrastrukturelle, technologische und regulatorische Fragen sind zu klären.
Und darauf zielen dann einzelne Projektanträge ab?
Ja, sie beschäftigen sich zunächst mit Einzelaspekten. Aber unser großes Ziel ist es, diese Energiebereitstellungskette etablieren zu können oder zumindest Impulse in die Wirtschaft zu geben. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass alles ineinandergreift und am Ende ein großes Ganzes entsteht.
Gab es schon einen Projektaufruf?
Wir haben insgesamt zwei Projektaufrufe. Der erste Projektaufruf ist bereits insofern für uns abgeschlossen, als dass wir die Schritte, die ich eben genannt habe, durchgeführt haben und der Beirat entschieden hat, welche Projekte gefördert werden sollen. Jetzt müssen diese Projekte noch eine formale Prüfung beim Projektträger Jülich durchlaufen. Das ist der aktuelle Stand aus dem ersten Aufruf. Einen zweiten Projektaufruf haben wir Ende 2023 gestartet. Der ist jetzt aktuell in einer Mittelphase. Das heißt, Projektskizzen wurden eingereicht, der Beirat hat sie begutachtet und darauf basierend eine Vorauswahl für die nächst Runde getroffen, und diese Antragsteller schreiben jetzt gerade ihre detaillierteren Projektanträge.
Und wieviel Projekte wurden in dem ersten Aufruf eingereicht?
Im ersten Aufruf wurden 11 Projektideen eingereicht. Schlussendlich wurden sieben davon durch den Beirat bewilligt und sollen jetzt zeitnah starten.
Was für Projekte sind das genau?
Dabei handelt es sich zum einen um technologiegetriebene Projekte für Betankungs- und Transportlösungen, zum anderen um Projekte, die sich der Energieumwandlung, also der Elektrolyse, widmen und die Energiebereitstellungskette wirtschaftlich und organisatorisch betrachten.
Das ist ja ziemlich umfassend.
Das ist sehr umfangreich und sehr komplex. Am Ende des Tages klingen 8 Millionen Euro Fördermittel viel – aber wenn wir uns anschauen, vor welcher Herausforderung, vor welcher großen Aufgabe wir stehen, dann können wir damit in vielen Fällen nur Impulse schaffen, kleine Pflänzchen pflanzen, die Ende des Tages dann die Lösung erbringen, was wir uns auch erhoffen: einen wirtschaftlichen Strukturwandel in der Bündnisregion.
Und wann geht es jetzt richtig los?
Das Bündnis als solches ist Anfang 2023 gestartet – also unser Projektbüro, unsere Koordination, unsere Strategie- und Innovationsentwicklung. Die Einzelprojekte, die jetzt im ersten Förderaufruf durch den Beirat schon bewilligt worden sind, gehen jetzt hoffentlich in den nächsten ein bis zwei Monaten an den Start. Dieses Projekt haben dann jeweils Laufzeiten von zwei bis drei Jahren. Davon unabhängig muss sich das Bündnis aber im Herbst dieses Jahrs zwischenevaluieren lassen.
Wie sieht so eine Evaluation aus?
Die Zwischenevaluation sieht so aus, dass wir das ursprünglich eingereichte Konzept erweitern, mit dem wir uns für die Fördermittel im Rahmen des WIR!-Programms beworben haben. Das umfasst verschiedene Aspekte, etwa welche thematischen Schwerpunkte es gibt und ob Anpassungen notwendig sind. Auch die Frage, ob ggf. weitere Bündnispartner einbezogen werden sollen und wie das Bündnis verstetigt werden kann, damit es nicht dauerhaft von Fördermitteln abhängig ist, gehört zu dieser Erweiterung.
Wie kann man denn ein Bündnis verstetigen, das aus Fördermitteln gespeist wird?
Es gibt unterschiedliche Formen, die denkbar sind. Zum Beispiel könnte man eine existierende Institution oder Industriepartner überzeugen, CAPTN Energy künftig zu übernehmen.
Was sind denn das für Partner, die die Anträge eingereicht haben – nur Unternehmen, nur Hochschulen oder Bündnisse aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen?
Es gibt unterschiedliche Konstellationen. Wir haben Projekte, die nur von Forschungseinrichtungen durchgeführt werden; wir haben Projekte, an denen nur die Wirtschaft beteiligt ist. Wir haben Verbundprojekte aus Wirtschaft, Wissenschaft, manchmal auch mit gesellschaftlichen Akteuren. Im Sinne der großen Herausforderung, vor der wir stehen, sind die Verbundprojekte wahrscheinlich am vielversprechendsten, weil diese Innovationen, die oft eher in der Hochschullandschaft entstehen, am Ende des Tages zu einem substanziellen Strukturwandel in der Wirtschaft führen sollen. Deswegen streben wir Verbundprojekte an. Aber das ist kein zwingendes Kriterium für die Förderung.
Müssen die Partner aus der Region kommen? Oder ist es auch möglich, grenzübergreifend, d.h. länder- und bundesländerübergreifend zusammenzuarbeiten?
Zunächst einmal ist es, wie der Name schon sagt, ein regionales Programm. Wir mussten in diesem Zuge unsere Region definieren. Nach den Regeln des BMBF darf das kein Bundesland sein. Also haben wir die Kreise und Städte entlang des Nord-Ostsee-Kanals als unsere Region definiert. Das war eine Herausforderung – denn beispielsweise Flensburg oder Lübeck liegen rein formal nicht in dieser Region. Aber auch hier gibt es Wege, sich zu beteiligen: Es kann zum Beispiel ein Verbundprojekt mit einem Bündnispartner aus der Region initiiert werden.
Was erhoffen sich denn die Unternehmen, die Anträge einreichen?
Nun, ich bin kein Unternehmensvertreter. Insofern ist das ein bisschen spekulativ. Aber erst mal erhoffen sie sich natürlich Innovationen, die sich aus diesen Förderprojekten ergeben. Vielleicht auch Nachwuchs, Fachkräfte, das ist ja grundsätzlich ein großes Thema. Dann gibt es wahrscheinlich auch eine ganze Reihe von weicheren Kriterien, wie Vernetzung in der Region, Zugang zu neuen Partnern, man kommt auch mit den Hochschulen in Kontakt. Aber am Ende des Tages müssen wir natürlich bei den Unternehmen davon ausgehen, dass sie daraus neue Produkte, neue Dienstleistungen entwickeln wollen mit denen sie künftig auch Umsatz generieren können.
Kann man denn schon absehen, wann mit Ergebnissen zu rechnen ist?
Ich glaube, es wäre zu viel erwartet, in den nächsten Monaten mit Resultaten zu rechnen. Aber wir gehen davon aus, dass es im nächsten Jahr erste Ergebnisse geben wird. Was das dann genau bedeutet, ist eine andere Frage. Vielleicht gibt es dann einen Prototyp, ein Geschäftsmodell oder erste Forschungsergebnisse. Dann müssen wir die nächsten Schritte gehen, um alles zusammenzuführen, damit die Synergien, die wir anstreben, auch entstehen. Wir achten zwar im Auswahlprozess darauf, dass die bewilligten Projekte zu dem von uns erhofften Strukturwandel führen. Letztlich liegt der Erfolg aber nicht allein in unseren Händen. Aber da wir uns zum Ziel setzen, Impulse in einzelne Unternehmen und Forschungsgruppen hineinzutragen, dann haben wir zumindest ein paar der kleinen Pflänzchen gepflanzt, aus denen später etwas Großes werden kann.
Vielen Dank für das Gespräch.