Herr Rose, was macht eigentlich CAPTN Flex?

22. Januar 2025

CAPTN Flex ist unser Smart-City Projekt. Hier werden KI-Methoden und Architekturen zur Datensammlung sowie zur effizienten Verarbeitung und Analyse eingesetzt, um Mobilitätsvorhersagen zu verbessern und einen flexiblen, bedarfsorientierten öffentlichen Nahverkehr zu etablieren. Dafür müssen Daten von Nutzerinnen und Nutzern gesammelt werden. Unter welchen Voraussetzungen diese dazu bereit sind, ihre Daten zu teilen, ist ebenfalls Teil von CAPTN Flex. Malten Rose erklärt, wie dieses Teilprojekt aussieht.

Bitte stelle dich kurz vor.

Mein Name ist Malten Rose. Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Technologiemanagement von Prof. Dr. Carsten Schultz und dabei auch Betreuer des Projekts CAPTN Flex.

Womit befasst sich CAPTN Flex?

CAPTN Flex ist ein Smart Mobility Projekt, das Verkehrsströme flexibilisieren will. Das bedeutet, dass ein System in der Lage sein soll, bedarfsgerecht auf Anforderungen von Kunden zu reagieren. Dafür sind unfassbar viele Daten verschiedener Verkehrsträger notwendig, die verarbeitet und nutzorientiert zusammengeführt werden müssen, um einen möglichst effizienten Verkehrsfluss zu ermöglichen.

Wie sieht diese Flexibilität aus?

Der öffentliche Personennahverkehr der Zukunft wird nicht mehr linientreu sein, sondern flexibel auf minutiös berechnete Anforderungen reagieren. Dazu ein Beispiel: In einem bestimmten Viertel wohnen 100 Leute und jeden Morgen um 8 Uhr startet für neun Menschen die Schule. Das sind feste Daten, die man relativ einfach ermitteln kann. Drei Leute aus diesem Viertel haben um 10 Uhr einen Termin beim Arzt; fünf andere treffen sich in Cafés in der Altstadt mit anderen Menschen. Das sind individuelle Bedarfe, die sich nicht einfach ermitteln lassen und die nicht regelmäßig auftreten. Sie müssen sich aus Bewegungsprofilen und Daten der einzelnen Fahrgäste ergeben. Um jemanden möglichst komfortabel vor der Tür abzuholen und pünktlich zum Ziel zu bringen, müssen dann noch weitere Nutzer- und aktuelle Verkehrsdaten hinzugefügt werden.

Aber das geht ja nicht mit dem ÖPNV, wie er heute strukturiert ist.

Genau. Heutzutage ist es ganz klar festgelegt, zu welcher Uhrzeit der Bus an welcher Haltestelle sein sollte. Die Grundidee von CAPTN Flex ist, dass man weiß, wann man sich an die nächste Ecke stellen muss, um zu seinem Bestimmungsort zu gelangen. Man hat vielleicht eine App, auf der man sein Ziel angibt und auf der angezeigt wird, wann man abgeholt wird – vielleicht von einem Sammeltaxi –, wie der geplante Routenverlauf aussieht und wann man ankommt. Es könnte auch angezeigt werden, wo ein Bike-Sharing-Angebot besteht und ob man mit einem alternativen Verkehrsmittel eventuell noch schneller am Ziel sein könnte. Das sind neue Vorstellungen davon, wie urbane Mobilität in Zukunft funktionieren könnte. Für die braucht es unfassbar viele Daten. Und das ist die große Herausforderung, vor der wir stehen: Diese Daten erfassen und verarbeiten zu dürfen, damit am Ende ein Verkehrsangeboten mit klarem Mehrwert entsteht.

Denkt ihr dabei schon an autonome Verkehrsträger?

Wir verstehen autonome Verkehre eher als einen separaten Baustein. Sie gehören auch nicht explizit zu unserem Aufgabenbereich. Sie sind natürlich eine sehr sinnvolle Ergänzung, schließlich ist es heutzutage wirklich ein Problem, Fahrer für Busse, Fähren, Sammeltaxis und so weiter zu bekommen. Das ist ein ganz wesentlicher Treiber für autonome Fahrzeuge. Außerdem ist es denkbar, dass man in Zukunft kleinere Verkehrseinheiten braucht. Da bräuchte man dann mehr Fahrer, was sehr wahrscheinlich nicht bedient werden kann. Insofern ergibt es sich vermutlich von selbst, dass wir bei flexiblen Systemen autonome Verkehrsträger brauchen. Oder automatisierte und herkömmliche Verkehrsmittel existieren parallel. Ich sehen insbesondere für den ländlichen Raum enorme Potenziale und Bedarfe für eine Flexibilisierung und autonome Verkehrslösungen. Denn das Probleme der Anbindung ist dort viel umfassender als in der Stadt, wo wir eine Straßenbahn haben, Bike Sharing, Scooter, Carsharing, Busse und so weiter haben. Deswegen werden wir eine solche Umsetzung vermutlich auf dem Land sogar früher sehen als im städtischen Raum.

Du beschäftigst dich aber nicht mit dem Verkehrsfluss, richtig?

Insgesamt sind zwei Lehrstühle an CAPTN Flex beteiligt – der technische Teil ist am Lehrstuhl Zuverlässige Systeme von Prof. Dr. Dirk Nowotka verortet, bei uns geht mehr um die organisatorischen Fragen – und ganz konkret um Akzeptanz. Wir benötigen für flexible Systeme viele individuelle und personenbezogene Daten, um möglichst gutes Angebot zu schaffen. Diese Daten sind zum Teil höchst sensible. Wir versuchen herauszufinden, wie sich die Akzeptanz zum Teilen solcher Daten erhöhen lässt.

Wie gehst du das Thema an?

Wir haben zuletzt eine Studie durchgeführt, in der es darum ging, welche Auswirkungen ein externes Datenleck auf unser Angebot hätte. Dabei haben wir unterschiedliche geographische Entfernungen untersucht – also: Macht es einen Unterschied, ob die Daten vor Ort oder in einem anderen Land abgegriffen wurden? Zudem haben wir untersucht, inwieweit Datenschutzlabel einen Einfluss auf die Datenweitergabe haben. In einer etwas älteren Studie haben Kolleginnen von mir eine Umfrage zur Innovationsfähigkeit von Kommunen gemacht, weil so etwas Visionäres wie flexible Verkehrsströme nur funktioniert, wenn einem auch die öffentliche Hand als Partner an der Seite steht.

Und du guckst dir an, wie die Nutzer zur Weitergabe ihrer Daten stehen?

Genau. Ich versuche herauszufinden, wann die Schwelle erreicht ist, auf der für den Kunden erkennbare Nutzen möglichst hoch ist und das Risiko als geringer eingeschätzt wird. Es sollen ja auch nicht unnötig Daten erhoben werden, sondern nur solche, die das bestmögliche Angebot garantieren.

Ist erkennbar, dass die Menschen anders realgieren, wenn sie wissen, wo ihre Daten gespeichert werden?

Ja. Wir haben festgestellt, dass in vielen Fällen die Bereitschaft höher ist, Daten zu teilen, wenn diese auf kommunalen Servern und nicht bei Google, Amazon, Meta und irgendwo in den USA landen. Ein Aspekt ist auch die Eignerschaft – wem gehören die Daten, wer hat Zugriff darauf? Genossenschaftlich gespeicherte Daten, auf die die Nutzer Zugriff haben, werden als besonders vertrauenswürdig angesehen. Der Speicherort hat entsprechend einen großen Einfluss auch auf die Akzeptanz.

Lassen sich die Ergebnisse schon umsetzten?

Das Projekt dauert noch bis Ende dieses Jahres. Bis dahin werden wir es ziemlich sicher nicht schaffen, wirklich real nutzbare Daten zu erheben. Insofern ist es bisher nur Theorie, eine Art Grundlagenforschung für die Einführung solcher Systeme. Aber die Umsetzung ist ja auch nicht Teil unserer Aufgabe als Universität, sondern die Forschung. In der Praxis arbeiten bereits mehrere Akteure an solchen Konzepten etwa die KielRegion und NahSH. Wir sind aber alle im Austausch miteinander.

Zu guter Letzt: Wo siehst du das meisten Potenzial für die Zukunft bei diesem Projekt?

Ich sehe für die Vision eines flexiblen, aber auch autonomen Verkehrsverbunds ein enormes Potenzial, um öffentlichen Nahverkehr ressourcenschonender, effizienter und wirtschaftlicher anbieten zu können. Ich hoffe sehr, dass wir Wege finden, die Akzeptanz für ein nutzergestütztes, flexibles System zu erhöhen.