Professor Landsiedel, was macht eigentlich CAPTN Förde 5G?
13. Juni 2024CAPTN Förde 5G beschäftigt sich – wie der Name vermuten lässt – mit 5G Mobilfunktechnologie. Was dieses für die autonome Schifffahrt wichtige Projekt zudem noch erforscht und erarbeitet, erzählt Prof. Dr. Olaf Landsiedel (AG Verteilte Systeme, CAU Kiel).
CAPTN: Was ist denn das Ziel von Captain Förde 5G?
Olaf Landsiedel: CAPTN Förde 5G hat zum Ziel, eine autonome Fähre mittels 5G ferngesteuert oder teilautonom über die Förde fahren zu lassen. Das ist das Kernziel. Dazu kommen noch einige Nebenziele: Wir schauen uns zum Beispiel auch an, wie wir die 5G-Technologie in anderen Bereichen einsetzen können, etwa in der Hafenlogistik oder auch im Segelsport.
Und was ist Ihre Aufgabe in dem Projekt?
Landsiedel: Meine Aufgabe ist es einerseits, das Projekt von Seiten der Universität zu leiten. Ich bin dafür verantwortlich, dass die vielen beteiligten Arbeitsgruppen das liefern, was sie liefern sollen und müssen. Meine Arbeitsgruppe ist natürlich auch sehr aktiv am Projekt beteiligt. Wir kümmern uns vor allem darum, dass die Qualität der Übertragung konstant bleibt. Um die Kameradaten von der Fähre ins Kontrollzentrum zu übertragen, brauchen wir eine stabile Bandbreite oder zumindest das Wissen, wie viel Bandbreite zur Verfügung steht. Es ist unsere Aufgabe, diese Bandbreite vorherzusagen und im Zweifelsfall entsprechend zu reagieren.
Was ist mit Bandbreite gemeint?
Landsiedel: Es ist wie zu Hause, wenn man Filme streamt oder im Internet surft. Auch die Fähre braucht eine bestimmte Bandbreite, um Daten hoch- oder herunterzuladen. Wenn wir zu einem bestimmten Zeitpunkt weniger Megabit oder Gigabit pro Sekunde zur Verfügung haben, muss ich zum Beispiel eine Videoquelle abschalten oder ein Video mit geringerer Auflösung senden, um die geringere Bandbreite optimal zu nutzen.
Geht es nicht auf Kosten der Sicherheit, wenn ich die Kamera ausschalten muss?
Landsiedel: Nein. Ich habe ja viele Kameras an Bord, und wenn ich zum Beispiel nach vorne fahre, brauche ich unbedingt die Kamera, die nach hinten schaut. Darauf kann ich auch ein paar Sekunden verzichten. Oder ich kann das Bild mit geringerer Auflösung übertragen, also mit weniger Bandbreite.
Was für Daten außer Kameradaten werden noch übertragen?
Landsiedel: Vor allem Kameradaten. Zusätzlich können wir auch LiDAR-Daten übertragen. Das ist wie eine Art Radarsignal, durch das ich eine Art 3D-Signal meiner Umgebung bekomme. Auch klassisches Radar ist an Bord. Alle Informationen, die ein Kapitän normalerweise auf der Brücke eines Schiffes hat, übertragen wir also an das Kontrollzentrum an Land, so dass dann jemand, der wie ein Kapitän von Land aus das Schiff steuert, alle Informationen hat, um das Schiff gut und sicher zu steuern.
Ist KI ein Thema bei Ihnen?
Landsiedel: Jein. Wir als Arbeitsgruppe machen vor allem eine intelligente Datenkompression. Hier ein Beispiel: Ich sehe auf den Kameras die Förde, auf der ein paar Schiffe fahren. Meine Hauptfarbe ist blau, das muss nicht alles oder nicht in hoher Auflösung übertragen werden. Andere Dinge im Bild, die sehr wichtig sind, wie zum Beispiel Kais oder andere Schiffe, möchte ich sehr genau sehen und wissen, wie schnell sie in welche Richtung fahren. Hier verwenden wir Künstliche Intelligenz. Die KI findet automatisch heraus, welche Informationen in meinem Bild wichtig sind. Diese werden dann mit hoher Priorität übertragen.
Also es geht nur die Übertragung, aber nicht um Manöver?
Landsiedel: In all unseren Projekten geht es im Großen und Ganzen darum, dass wir lernen, Manöver autonom zu fahren. Das ist aber nicht Teil des CAPTN Förde 5G-Projekts, sondern gehört zu CAPTN Förde Areal. In CAPTN 5G geht es tatsächlich hauptsächlich um die optimale Übertragung.
Welche Projektpartner haben Sie denn in CAPTN Förde 5G?
Landsiedel: In diesem Projekt sind viele Arbeitsgruppen beteiligt, hauptsächlich aus der Informatik, aber zum Beispiel auch aus der Elektrotechnik und der BWL. Die BWL setzt sich vor allem mit der Hafenlogistik auseinander. Arbeitsgruppen aus der Sensorik und dem Mobilfunkbereich sind ebenfalls Teil des Projekts. Natürlich sind auch Kieler Unternehmen wie der Internet- und Telekommunikationsanbieter Addix und der Hersteller von Überwachungs- und Kontrollsystemen Anschütz beteiligt; Vodafone ist ebenfalls an Bord.
Das Projekt läuft seit über zwei Jahren. Was haben die Projektpartner bisher erarbeitet?
Landsiedel: Es geht ja darum, eine Art Prototypen für autonome Manöver aufzubauen – da sind wir auch schon sehr weit. Dazu gehören folgende Überlegungen: Welche Kameras braucht das Schiff? Welche Intelligenz brauche ich an Board? Welche Daten sind wichtig? Dann muss ich die Daten an das Kontrollzentrum übertragen. Dort muss ich die Daten empfangen, auf dem Monitor darstellen, und dann muss ein Mensch mit so einem Art Joystick, wie bei einem Computerspiel, das Schiff fernsteuern können.
Ist das für die Kieler Förde schwieriger, solche Daten zu erfassen als für andere Wasserstraßen?
Landsiedel: Das Fahren auf der Förde ist herausfordernder als auf dem Ozean, wo ich mehr oder weniger alleine bin. Die Hypothese hinter unserer Arbeit ist: Wenn wir auf der Kieler Förde fahren können, dann können wir eigentlich fast überall auf der Welt fahren. Wir haben aber auch etwas, was uns das Leben leichter macht: Mobilfunkempfang. Die ist natürlich in einer Förde, in einer Stadt, größer als auf dem Ozean, da habe ich keine Mobilfunkabdeckung.
Gibt es denn eine Fallback-Option, wenn das Funknetz plötzlich ausfällt? Gibt es dann zum Beispiel WLAN?
Landsiedel: Ja, und die Fähre hat natürlich mehrere Mobilfunkantennen. Das heißt, wenn zum Beispiel ein Provider ausfällt, schaltet die Fähre automatisch auf einen anderen um. Das ist aus Sicherheitsgründen wichtig. Natürlich gibt es auch WLAN rund um die Kieler Förde, aber das wird im Projekt Förde Areal betrachtet.
Sie untersuchen auch Anwendungen im Segelsport und in der Hafenlogistik. Was machen die Projektpartner da genau?
Landsiedel: Es geht um mehrere Fragestellungen. Ein Beispiel aus dem Segelsport: Beim Coaching ist es heute noch so, dass der Trainer die ganze Zeit im Schlauchboot neben seinen Segelschülern herfahren muss. Das ist anstrengend und nicht unbedingt umweltfreundlich. Eine Alternative wäre ein Live-Stream vom Segelboot, der in ein Kontrollzentrum übertragen wird. Der Trainer oder das Trainerteam kann dann sofort reagieren, Feedback und Tipps geben. Damit sind die viel näher am Geschehen. Parallel denken wir darüber nach, ob wir auch Regatten auf diese Weise übertragen können. Wenn wir Daten mit sehr geringer Latenz und sehr effizient übertragen können, dann können wir auch eine Regatta live übertragen.
Was genau ist eine Latenz?
Landsiedel: Wenn wir ein Schiff fernsteuern, haben wir eigentlich zwei wichtige Metriken, also Dinge, die wir messen und überprüfen müssen. Das ist zum einen die Bandbreite, die uns zur Verfügung steht, also die Megabit pro Sekunde, mit der wir sehr viele Daten übertragen können. Zweitens wollen wir diese Daten so schnell wie möglich übertragen. Das ist die Latenz, sozusagen die Verzögerungszeit. Das ist die Zeit, die ich brauche, um ein Signal von meiner Quelle über das 5G-Netz zu meinem Kontrollzentrum zu senden. Wir brauchen also eine hohe Bandbreite und eine niedrige Latenz, möglichst im Millisekundenbereich.
Die Förderung für CAPTN Förde 5G läuft Ende des Jahres aus. Haben Sie alles erreicht, was Sie erreichen wollten?
Landsiedel: Wir sind schon da, wo wir hinwollen. Das Hauptziel, die Fernsteuerung der Fähre, funktioniert bereits. Jetzt gilt es, die letzten Monate zu nutzen, um Verbesserungen und Optimierungen zu implementieren. Die Kernfrage, die uns noch viele Jahre beschäftigen wird, ist das langfristige Ziel, ein autonomes Schiff zu bauen. Das heißt, wir wollen das Schiff nicht nur fernsteuern, sondern selbstständig Manöver durchführen lassen. Das ist nicht trivial, denn wir müssen alle Objekte auf dem Wasser zuverlässig erkennen – vom Schwimmer über den Kajakfahrer bis hin zum Kreuzfahrtschiff oder sogar einem U-Boot. Hinzu kommen Ausweich- und Anlegemanöver. Dazu müssen wir noch einiges erforschen. Es sind noch viele Forschungsfragen offen, und auch der Bereich der Zulassung ist noch völlig unklar. Das wird uns also noch einige Jahre beschäftigen.
Vielen Dank für das Gespräch!