Volle Kraft voraus: So weit sind selbstfahrende Autos, Busse, Schiffe und Züge

20. April 2023

Deutschland hat viel vor: Mit dem Inkrafttreten des Gesetztes zum autonomen Fahren Mitte 2021 sieht sich die Bundesregierung als Vorreiter in diesem Bereich. Immer mehr Projekte beschäftigen sich mit selbstfahrenden Fahrzeugen. Für Experten sind autonome Verkehre in Zukunft unabdingbar; die Deutschen stehen selbstfahrenden Fahrzeugen noch skeptisch gegenüber. Wir begeben einen Überblick über den Stand der Dinge – auf der Straße, der Schiene und dem Wasser.

In diesem Beitrag:
Stand der Gesetzgebung autonomes Fahren in Deutschland/Automatisierungsstufen
Ausblick weltweit

Autonome Schifffahrt: Frachter und Binnenschiffe
Ausblick weltweit

Autonome Schifffahrt: Personenfähren
Ausblick weltweit

Schienenverkehr

Akzeptanz von autonomen Fahrzeugen in Deutschland

Deutschland bewegt sich langsam in Richtung des autonomen Fahrens. Bereits im Juni 2017 trat das Gesetz zum automatisierten Fahren in Kraft. Es erlaubte das Verwenden von automatisierten Systemen (Stufe 3), wenn der Fahrer jederzeit in das Verkehrsgeschehen und die Fahrzeugsteuerung eingreifen kann. Im Juli 2021 trat eine weitere Änderung des Straßenverkehrsgesetztes in Kraft. Es regelt, dass autonome Kraftfahrzeuge (Stufe 4) in festgelegten Betriebsbereichen im öffentlichen Straßenverkehr im Regelbetrieb fahren können.

In den vergangenen Jahren gab es bereits eine Vielzahl von Projekten vor allem mit potentiell autonomen Shuttle-Bussen. Denn in einem sind sich Experten einig: Ohne eine Mobilitätswende mit eigenständig fahrenden Verkehrsträgern wird der Fachkräftemangel zu einem noch größeren Problem. Es fehlen bereits heute viele LKW-Fahrer, Binnenschiffer und Busfahrer. In einem jüngst angelaufenen Versuch lässt die Deutsche Bahn (DB) mit Projektpartnern autonome On-Demand-Fahrzeuge im Rhein-Main-Gebiet verkehren. Im Mai 2023 wird ein autonomes Shuttle erstmals in Darmstadt unterwegs sein. In den Monaten danach kommen 14 weitere Fahrzeuge hinzu. In der ersten Testphase werden alle Shuttles mit speziell ausgebildeten Fahrer*innen und ohne Passagiere unterwegs sein.

Selbstfahrende und mit Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuerte Fahrzeuge bringen Experten zufolge neben der Personalersparnis noch weitere Vorteile: So haben Forschende am Massachusetts Institute of Technology (MIT) herausgefunden, dass eine optimierte Fahrweise für einen gleichmäßigen Verkehrsfluss sorgt – Halten, Bremsen und heftiges Anfahren könnte damit unterbunden werden und somit Kraftstoff und Emissionen reduzieren. Der Studie des MIT zufolge würde so der Kraftstoffverbrauch um 18 Prozent gesenkt werden, die Kohlendioxidemissionen um 25 Prozent. Hinzu kommt, dass elektrisch angetriebene öffentliche Verkehrsmittel mit einem hohen oder auch bedarfsangepassten Takt Fahrten mit dem eigenen PKW reduzieren.

So sieht’s in anderen Ländern aus:
In den USA hat die U.S. National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) im März 2022 den Weg für die Produktion und den Einsatz von fahrerlosen Fahrzeugen freigemacht und beschlossen, dass Autos keine manuellen Bedienelemente wie Lenkräder oder Pedale haben müssen. Jedoch müssen Insassen im Fahrzeuginneren in gleichem Maß geschützt werden wie bei aktuell gängigen Personenkraftwagen. Einige Bundesstaaten gehen voran: So fahren etwa in Phoenix, Arizona bereits seit September 2021 Robotaxis von Waymo. Die US-amerikanische Firma gehört zu Google.

Kanada will durch die Nutzung von autonomen Fahrzeugen die Zahl der Verkehrstoten senken. Im August 2021 veröffentlichte das Ministerium für Transportwesen (Transport Canada) Leitlinien für die Erprobung automatisierter Fahrsysteme. Damit soll eine Grundlage für einheitliche Gesetzgebung in allen Provinzen und Territorien geschaffen werden, um sichere Versuche mit automatisierten Fahrsystemen im Fahrsystemen auf SAE-Levels 3 – 5 durchzuführen, einschließlich der erforderlichen Genehmigungen von Regierungsstellen vor dem Versuch sowie Sicherheitsüberlegungen. Die Provinzen Ontario, Britisch-Kolumbien und Québec sowie auf einige Kommunen haben bereits eigene Aktivitäten begonnen. (Interessantes Interview hier (engl.))

In China sind seit Mitte 2022 komplett autonome Taxis im öffentlichen Straßenverkehr unterwegs. Der chinesische Technologieriese Baidu hat als erste Firma in der Volksrepublik grünes Licht für den Betrieb der Robotaxis erhalten.

England hat sich vorgenommen, bis 2025 autonomes Fahren (SAE-Level 4) auf öffentlichen Straßen grundsätzlich zu ermöglichen. Eine in vielen Ländern noch ungeklärte rechtliche Frage hinsichtlich der Haftung hat die Regierung im August 2022 beantwortet: Insassen eines selbstfahrenden Fahrzeugs haften demnach nicht mehr für „Vorfälle“, die sich während des Fahrens ereignen, sondern der Hersteller.

Insgesamt sieht der Stufenplan bis zum autonomen Fahren sechs Stufen vor:

  • Stufe 0: Der Fahrer fährt und lenkt das Fahrzeug.
  • Stufe 1 – assistiertes Fahren: Fahrzeuglenker wird durch Assistenzsysteme wie Tempomat oder Abstandsregler unterstützt. („Füße-weg-Stufe“)
  • Stufe 2 – teilautomatisiertes Fahren: Der Fahrzeuglenker hat das Verkehrsgeschehen stets im Blick und kann eingreifen, wird aber unterstützt durch Assistenzsysteme unterstützt wie Spurhalteassistent, selbstständiges Beschleunigen und Abbremsen. („Hände-weg-Stufe“)
  • Stufe 3 – hochautomatisiertes Fahren: Der Fahrzeugführer darf sich vorrübergehend vom Verkehrsgeschehen abwenden, muss jedoch in Gefahrensituationen sofort eingreifen können. Das Fahrzeug führt eigenständig Spurwechsel inkl. Blinkvorgang oder Überholvorgänge aus. („Augen-weg-Stufe“)
  • Stufe 4 – vollautomatisiertes Fahren: Das Fahrzeug fährt überwiegend selbstständig. Das System kann Gefahrensituationen erkennen und entsprechend reagieren. Bei bestimmten Geschwindigkeitsbereichen oder Wetterbedingungen sowie in bestimmten Gebieten muss der Fahrzeugführer übernehmen bzw. eingreifen können.
  • Stufe 5 – autonomes Fahren: Menschen sind nur noch Passagiere. Das Fahren ist auch ohne Insassen möglich. Die Technik bewältigt alle Situationen im Verkehrsgeschehen.

Nach den international anerkannten Stufen der Society of Automotive Engineers (SAE) sieht die Unterteilung wie folgt aus:

1. Level 0 – no automation;
2. Level 1 – driver assistance;
3. Level 2 – partial automation;
4. Level 3 – conditional automation;
5. Level 4 – high automation;
6. Level 5 – full automation.

Für die Schifffahrt gibt es noch keinen gesetzlichen Rahmen, aber immerhin eine Rechtsgrundlage. Diese wurde erstmals im Jahr 2018 von der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) erarbeitet und im Dezember 2022 überarbeitet. Vorschriften für See- und Binnenschifffahrt unterscheiden sich schon aufgrund der unterschiedlichen Rechtsrahmen (international vs. national), wobei auch im Bereich der Binnenschifffahrt Regeln gefunden werden müssen, die unter Umständen über Ländergrenzen hinweg Gültigkeit haben.

In der deutschen Binnenschifffahrt sind von der ZKR sechs Stufen der Automatisierung vorgesehen:

  • Stufe 0 – keine Automatisierung: Schiffsführung und -überwachung notwendig
  • Stufe 1 – Steuerungsunterstützung: Schiffsführung wird durch Assistenzsysteme unterstützt. Schiffsführer muss diese überwachen und im Notfall eingreifen können.
  • Stufe 2 – Teilautomatisierung: Unter bestimmten Bedingungen sind automatisierte Steuerung und Antrieb sowie eine Fernsteuerung erlaubt; Schiffsführer muss „dynamische Navigationsaufgaben“ ausführen und im Notfall eingreifen können.
  • Stufe 3 – bedingte Automatisierung: Systeme übernehmen kontextspezifische Aufgaben – inklusive Navigation, Kollisionsvermeidung. Sie überwachen den Verkehr und reagieren kontextspezifisch. Der Schiffsführer kann vor Ort im Notfall eingreifen.
  • Stufe 4 – erweiterte Automatisierung: kontinuierliche kontextspezifische Ausführung aller dynamischen Navigationsaufgaben und Reaktion auf Störungen durch ein automatisiertes Navigationssystem, ohne dass ein Schiffsführer eingreifen kann.
  • Stufe 5 – Vollautomatisierung: Schiff übernimmt bedingungslos alle Aufgaben sowie Überwachung und Reaktion auf Störungen des Verkehrsablaufs.

Neben der Problematik der schwierigen Gesetzgebung, sind ebenso wie beim Straßenverkehr vor allem die Haftungsfragen ein großes Hindernis hin zu einer autonomen Schifffahrt – etwa: sind der Hersteller oder der Reeder für mögliche Unfälle verantwortlich. (Ein interessantes Interview eines Versicherers findet Sie hier.) Es gibt jedoch bereits Testfelder, auf denen die autonome Schifffahrt erprobt werden darf – unter anderem auf dem Dortmund-Ems-Kanal, die Spree-Oder-Wasserstraße und an der Kieler Förde (mit dem Projekt CAPTN Förde Areal II).

In Deutschland arbeitet zum Beispiel die Technische Universität Berlin , das DST und Unleash Future Boats an dem schleswig-holsteinischen Flusslauf Schlei an autonomen Transportschiffen. Das Interreg-Projekt AVATAR (Autonomous vessels, cost-effective transhipment, waste return) will innerhalb der Nordseeregion autonome Transportketten auf den Wasserwegen entwickeln.

So sieht es in anderen Ländern aus:
Im Februar 2022 vollendete das autonome Frachtschiff Yara Birkeland seine Jungfernfahrt. Das voll-elektrisch angetriebene Containerschiff verkehrte auf einer 12 Seemeilen langen Strecke entlang der norwegischen Küste zwischen seinem Heimathafen auf Herøya und Brevik. Kongsberg, das norwegische Technologie- und Rüstungsunternehmen, hat das rund 80 Meter lange und 120.000 TEU fassende Schiff ausgerüstet, einschließlich der für den ferngesteuerten und autonomen Schiffsbetrieb erforderlichen Sensoren sowie die elektrischen Antriebs-, Batterie- und Antriebssteuerungssysteme. Bis Ende 2024 soll das Containerschiff zugelassen sein und ohne Schiffsführer verkehren dürfen.

Im gleichen Zeitraum meldeten auch japanische Medien den erfolgreichen Test durch KI gesteuerter Frachtschiffe. Die Mikage, ein 95 Meter langes Schiff der Reederei Mitsui Lines, legte die Strecke von Hafen in Tsuruga auf dem Japanischen Meer bis zum Hafen von Sakai in der Nähe von Osaka zurück, wobei ein System von Radar- und Lidarsensoren, Kameras und ein Satellitenkompass zur Navigation eingesetzt wurden. Die Mikage fuhr am Ende ihrer 161 Seemeilen langen Reise eigenständig an einen Liegeplatz und ließ mit Hilfe von Flugdrohnen Seile zu den unten wartenden Hafenarbeitern hinunter, um das Schiff zu sichern. NYK Line testete ein zweites selbstfahrendes Schiff in japanischen Gewässern. Die Suzaku fuhr rund 500 Meilen in der Bucht von Tokio, wobei sie eigenen Angaben zufolge 99 % der Strecke ohne menschliches Zutun zurücklegte und dank der Software von Orca AI Kollisionen vermied.

Auch im Bereich der Passagierfähren setzen viele Länder künftig vermehrt auf selbstfahrende Schiffe. In Deutschland ist CAPTN bisher die einzige Initiative, die sich mit diesem Thema befasst.

In Norwegen entwickelt die Norwegian University of Science and Technology (NTNU) in Zusammenarbeit mit Zeabuz, einem Spin-off-Unternehmen der Universität, und dem norwegischen Forschungsrat eine vollelektrische, autonome Passagierfähre. Die Elektrofähre milliAmpere 2 (8,5 Meter lang und 3,5 Meter breit) soll zunächst im Testbetrieb in Trondheim bis zu 12 Passagiere über Kanäle transportieren. Für Stockholm ist ein ähnliches Projekt mit NTNU, Zeabus und dem Schiffsbauer Brødrene Aa geplant. Hier soll eine 12 Meter lange Fähre ab April 2023 bis zu 25 Passagiere über die Wasserwege der schwedischen Hauptstadt tragen.

Ein weiteres norwegisches Unternehmen arbeitet daran, autonome Passagierverkehre auf dem Wasser zu realisieren: Hydrolift entwickelt mit Hyke vollelektrische, solarbetriebene Fähren für bis zu 50 Fahrgäste samt intelligentem Andock- und Ladesystem sowie einer entsprechenden autonomen Fährenmanagement-Software.

In den Niederlanden arbeiten Forschende des Amsterdam Institute for Advanced Metropolitan Solutions mit dem Massachusetts Institute of Technology an zwei mal vier Meter großen Aluminiumschiffen, die autonom fahren sollen. Die Roboats könnten in nicht allzu ferner Zukunft kleine Touristengruppen durch die Grachten schippern und bei Bedarf auch als Frachttransporter verwendet werden. Nahe Leiden pendelt bereits eine Roboterfähre für bis zu zwölf Personen (ohne Fahrräder). Das Projekt „Vaar met Ferry“ ist eine Kooperation der US-Firma Buffalo Automation, die Technologien für autonome Boote entwickelt, und der niederländischen Future Mobility Network und bringt Passagiere auf die Insel Koudenhoorn.

Im Oktober 2022 hat Trafikverket Schweden bei der Holland Shipyards Group vier autonome Elektrofähren bestellt. Die Lieferung umfasst zwei Fähren mit vier Automooring-Anlagen und zwei Ladestationen, eine Simulatoreinrichtung und ein Fernsteuerzentrum. Die 86 Meter langen und knapp 15 Meter breiten Fähren sollen bis zu 60 Autos transportieren können und zunächst auf Stufe 2 fahren.

Bereits im November 2018 ließen Rolls-Royce und die staatliche Finnish Ferry Transport Group (Finferries) die autonome Fähre Falco in den Schären von Turku verkehren.

Im öffentlichen Schienenverkehr sind autonome Züge europaweit schon relativ weit verbreitet. In Deutschland leistet sich nur Nürnberg eine automatisierte U-Bahn. Vorreiter war 2008 die französische Stadt Lille. Mittlerweile verkehren fahrerlose Züge in über 60 Städten – unter anderem in London, Paris, Vancouver, Sao Paulo, Mexiko oder Singapur.

Dass autonome Verkehre in Deutschland in naher Zukunft ausreichend von der Bevölkerung akzeptiert werden, scheint aktuell wenig realistisch. Eine im August 2022 durchgeführte Befragung der internationalen Data & Analytics Group YouGov in Kooperation mit dem Center of Automotive Management (CAM) hat ergeben, dass für knapp die Hälfte der repräsentativ Befragten (49%) nicht denkbar ist, vollautonome Fahrzeuge etwa in Form von Robotaxis zu nutzen. Allerdings zeigt sich, dass jüngere Altersgruppen den autonomen Fahrzeugen deutlich positiver gegenüberstehen: Rund 63 Prozent der 18- bis 34-Jährigen können sich die Nutzung „sehr gut“ (28%) oder „vielleicht“ (35%) vorstellen. Weiter schreiben die Autoren der Studie: „Um die Akzeptanz von Robotaxis zu erhöhen, müssen die existierenden Vorbehalte berücksichtigt werden. So lösen autonome Fahrzeuge Ängste und Unsicherheiten aus. Rund die Hälfte der Befragten (48%) zweifelt an der grundsätzlichen Sicherheit von Fahrzeugen, bei denen kein Mensch mehr für die Steuerung verantwortlich ist. 39% haben dabei Angst, in Unfälle verwickelt zu werden. Gleichzeitig wird das Cyber Security Risiko als Problem gesehen, also die Angst vor Hacker-Angriffen bzw. der möglichen Manipulation von Fahrzeugen (40%). Rund ein Drittel der Teilnehmenden (31%) geht zudem davon aus, dass die Nutzung autonomer Fahrzeuge aufgrund der notwendigen Technik an Bord mit höheren Anschaffungskosten verbunden ist. Zu den weiteren Bedenken zählen etwa die Sorge vor Überwachung von Fahrrouten und Passagieren (21%) sowie die Unsicherheit im Falle einer Pannensituation (19%). Nur 5% geben an, keine Bedenken bei der Nutzung autonomer Fahrzeuge zu haben.“