Meilensteine erreicht: 12 Monate CAPTN X-Ferry
12. Oktober 2025CAPTN X-Ferry hat seinen ersten Meilenstein erreicht. Seit einem Jahr arbeiten die Projektpartner aus Wissenschaft und Wirtschaft an der Erforschung der grundlegenden Technologie für eine automatische Selbsterklärung des (Navigations-)Verhaltens (teil-)autonomer Schiffe. Dabei sollen sowohl dem nautischen Personal als auch den Passagieren selbstständig relevante Informationen ausgespielt werden.
Während ihrer Meilenstein-Tagung im Oktober absolvierten die Forschenden einen Hackathon, um die unterschiedlichen Arbeiten der Gruppen – etwa am Digitalen Zwilling und dem Echtzeit-Lagebild – zusammenzuführen und Schwachstellen aufzuzeigen. Zudem befassten sich die X-Ferry-Aktiven mit den Ergebnissen, die in den vergangenen 12 Monate erarbeitet wurden.
Dazu gehörte unter anderem auch der SFK-Workshop unter Federführung der Hochschule Flensburg, in dem es darum ging, erklärungsbedürftige Szenarien mithilfe von nautischem
Fachpersonal zu identifizieren. Zudem wurden nach Befragungen auf der Kieler Woche unterschiedliche Passagier-Personas erstellet, um gezielt auf die Bedürfnisse der sehr differenzierten Zielgruppe Fahrgäste zu einzugehen.
Dem Projekt liegt ein Systemmodell zugrunde, das insgesamt acht Arbeitspakete (AP) umfasst. Dabei dienen Sensordaten, Informationen aus nautischen Karten sowie Wetterinformationen als Basis. Mithilfe von KI und den Spezifikationen aus dem Systemmodell werden diese verarbeitet und dann als Lagebild und als Erklärungen ausgegeben — je nach Zielgruppe (Crew, Fahrgäste, Kontrollzentrum) – können diese unterschiedlich aussehen. Jedes Arbeitspaket hat dabei klaren Aufgaben und übergibt seine Ergebnisse an das nächste.
Die APs haben folgenden Zweck:
AP 1 – Versuchskoordination, Datenerhebung und Akzeptanzstudien
Auf dem Forschungskatamaran MS Wavelab werden reale Daten gesammelt. Diese stammen aus hochauflösenden Kameras, LiDAR, mmWave-Radar, Sonar, AIS-Daten (Position, Kurs, Geschwindigkeit) sowie elektronischen Seekarten. AP 1 liefert sozusagen die Basis für das Projekt — umfassende, realistische Messdaten und Kontextinformationen — ohne die die folgenden Module nichts arbeiten könnten
AP 2 – Systemmodell und Absicherung
Dieses AP stellt Schnittstellen und Regeln bereit und führt die Daten unterschiedlicher Herkunft zusammen. Es entwickelt Methoden zur Sensorfusion (also wie man z. B. Kamera- und Radarinfos sinnvoll kombiniert), bewertet die Zuverlässigkeit der Quellen und sorgt für kontinuierliche Sicherheitsprüfungen. AP2 ist die Qualitätskontrolle und das Regelwerk — es stellt sicher, dass aus heterogenen Daten ein konsistentes, vertrauenswürdiges System wird.
AP 3 – Echtzeit-Lageerkennung
AP3 ist sozusagen das Cockpit — die Bedienoberfläche und die zentrale Datenstruktur, auf der Erklärungen und Entscheidungen aufbauen. Aus den aufbereiteten Daten entsteht ein dynamisches Lagebild — eine schiffszentrierte Karte, die aktuelle Objekte, Hindernisse, Bewegungen und Verkehrsabläufe (als Wahrscheinlichkeitspfad und mit Anzeige des Kollisionsrisikos), Wetter und Kontextinfos zu erkannten Objekten.
AP 4 – Kausale Ableitung und Erklärung
Aus dem Lagebild werden Ursachen abgeschätzt — nicht nur was passiert, sondern auch warum. Dazu werden kausale Modelle genutzt. Ergebnis sind parametrisierbare Basiserklärungen, die Faktoren, mögliche Ursachen und die Zuverlässigkeit der Information angeben. Diese Erklärungen werden in Funktionen integriert, aus denen das System lernt, für Situationen passende Erklärungen zu generieren. AP4 gibt dem System die Fähigkeit zu begründen, nicht nur zu beschreiben — das ist zentral für Vertrauen und Nachvollziehbarkeit.
AP 5 – Qualifiziertes Kontrollzentrum
Die erklärungsbedürftigen Situationen werden speziell für Operatoren visualisiert — je nach Zielgruppe mittels Augmented Reality, in Form übersichtlicher Dashboards und mit Feedback-Mechanismen. Das Kontrollzentrum ist eng verzahnt mit den Erklärungsmodulen, um die Qualität der Darstellung und Verständlichkeit zu bewerten. Damit bildet AP5 die Schnittstelle zur operativen Überwachung — hier müssen komplexe technische Informationen schnell und korrekt verstanden werden.
AP 6 – Nutzerzentrierte Selbsterklärung
AP6 sorgt dafür, dass die Erklärung für Menschen verständlich und adaptiv ist — unterschiedlich genau erklärt je nach Bedarf. Hier geschieht eine zielgruppengerechte Aufbereitung: Crew und Fahrgäste erhalten vereinfachte oder detaillierte Erklärungen. AP6 baut eine interaktive Informationsplattform und einen virtuellen Zwilling, der auch zur Generierung von Trainingsdaten und zur Simulation neuer Szenarien verwendet wird.
AP 7 – Prüfung des Systems in der Simulation
Dieses AP untersucht, wie gut das System das Fahrverhalten der Fähre verständlich erklären kann und wie Passagiere sowie nautisches Personal diese Erklärungen annehmen. Es nutzt dafür verschiedene Prototypen und realitätsnahe Simulationen, in denen typische, komplexe und seltene Situationen auf der Kieler Förde nachgestellt werden – inklusive aller relevanten Umwelt- und Wasserbedingungen. Die virtuelle Umgebung ermöglicht sichere Tests auch für extreme oder kritische Szenarien. AP7 ist die praktische Erprobung — es stellt sicher, dass das System in vielen unterschiedlichen Lagen verständlich und vertrauenswürdig erklärt.
AP 8 …
zeigt das fertige System im echten Einsatz. Es prüft, wie gut die Selbsterklärungen der Fähre während des laufenden Betriebs funktionieren und wie ausgereift die Technik ist. Dabei werden Erkenntnisse gesammelt, die Hinweise auf zukünftige Produkte und Einsatzmöglichkeiten liefern. AP8 macht sichtbar, wie das System später in der Realität arbeitet.
Den nächsten Meilenstein erreicht CAPTN X-Ferry im April 2026. Bis dahin wollen die Forschenden die Verhaltenstaxonomie spezifizieren, den Grunddatensatz für die Lageerkennung aufbereiten und in ein für das KI-Training nutzbares Format überführen sowie den Grunddatensatz für die Selbsterklärungen mit als vorrangig relevant identifizierten Szenarien aufbereiten.
Die Partner: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Technische Fakultät, Institut für Informatik), Anschütz GmbH, Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH, HHVISION GbR, Vater Solution GmbH, Hochschule Flensburg sowie mit der Stadt Kiel, der Schlepp- und Fährgesellschaft Kiel mbH und dem Wissenschaftszentrum Kiel drei assoziierte Partner.
Die Rahmendaten: Gefördert durch das Maritime Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE) bis zu 31.08.2027 (36 Monate); Gesamtbudget ca. 4,3 Mio. Euro.