Roboter-Tankwart für Schiffe
25. März 2025Das Forschungsprojekt Fuel – Ship2Ship an der Fachhochschule Kiel beschäftigt sich mit dem autonomen Betanken von Schiffen mit alternativen Treibstoffen auf See.
Ein Schiff steuert eine Bunkerstation an – auf dem Meer oder im Hafen. Ein Roboterarm mit einem Kraftstoffschlauch fährt automatisch heran, der Einfüllstutzen versenkt sich in den Tank, und der Kraftstoff fließt. Innerhalb weniger Minuten ist das Schiff betankt. Der Schlauch zieht sich zurück, und das Schiff legt ab. An dieser Zukunftsvision arbeiten Forschende der FH Kiel im Rahmen von CAPTN Energy.
Im Projekt „Fuel – Ship2Ship“ soll ein robotergestütztes System zum autonomen Betanken von Schiffen unter Seegangsbedingungen entstehen. „Durch den wachsenden Bedarf an grünen Treibstoffen wie Methan, Ammoniak und Wasserstoff benötigen wir eine relativ dicht gestaffelte Bunkerstations-Infrastruktur, mit der sich Schiffe schnell und unkompliziert – am besten automatisch – versorgen lassen“, erläutert Projektingenieur Max Senkbeil. Da die Energiedichte dieser Treibstoffe deutlich geringer ist als die fossiler Brennstoffe, müssen Schiffe häufiger tanken. „Wir wollen mit unserem Projekt nicht nur Lösungen für robotergestützte Betankungsvorgänge schaffen, sondern gleichzeitig die Akzeptanz für umweltfreundliche Treibstoffe erhöhen“, sagt Senkbeil. Die Herausforderung ist dabei das Meer: Wellen bewegen das Schiff und gegebenenfalls die schwimmende Tankstation.
Die Idee ist einfach: An der Bunkerstation befinden sich ein Roboter, bestehend aus einem kranartigen, beweglichen Arm, und ein Sensorsystem. Dieses erfasst die Schiffsbewegungen und überträgt sie in Echtzeit an die Robotersteuerung. Der Roboter passt sich an die Schiffsbewegungen an und führt den Betankungsvorgang durch. „Aktuell arbeiten wir mit einem Kamerasystem sowie mit einer Künstlichen Intelligenz, die die Bilder auswertet und in Steuerungsimpulse umwandelt.“ Die Schwierigkeit besteht darin, die verhältnismäßig schnelle und unkontrollierte Bewegung des Schiffes und die des Tankstutzens am Roboterarm zu verfolgen und den Andockvorgang einzuleiten. Noch wird erforscht, welche Form der mechanischen Kopplung zwischen Roboter und Schiff am praktikabelsten wäre. „Im Moment arbeiten wir daran, wie sich die Impedanzregelung am besten in unser System integrieren lässt“, erläutert Senkbeil. Dieser Teilbereich der Robotik gehört zur Kraftregelung und regelt – simpel ausgedrückt –, wie sich die Roboterkinematik beim Einwirken äußerer Kräfte verhält, um zum Beispiel Beschädigungen während des Betankungsvorgangs zu vermeiden.
Neben der beschriebenen Land-zu-Schiff-Betankung erforscht das Team auch einen Ansatz für Schiff-zu-Schiff-Betankungslösungen. Dafür haben sie einen sogenannten Demonstrator entwickelt. Dieses Versuchsobjekt steht im Automatisierungslabor der FH und besteht aus einem Sensorsystem, einer Simulationsumgebung und zwei Roboterarmen. Einer der beiden Roboter stellt das zu betankende Schiff nach und erhält Positionsdaten ausgehend von einer Simulation, in der verschiedene Seegangsszenarien und die Schiffsbewegung simuliert werden. Die zweite Kinematik verfolgt mittels Sensoren die Betankungsschnittstelle und führt den Steck- und Betankungsvorgang durch. Vor allem die Simulation von Schiffsbewegungen im Wellengang ist in diesem Szenario wichtig. Damit ermittelt Senkbeil die Grenzwerte für die nötige Bewegungsdynamik, Genauigkeit und Robustheit des Systems und gleicht diese mit realen Daten ab.
In der Theorie hat der Roboterarm, der das Betanken übernehmen soll, bereits bewiesen, dass er 2,5 Meter hohen Wellengang ausgleichen kann. Den Labordemonstrator hat er dabei selbst konzipiert und die Hard- und Software implementiert. Auch Schaltschränke müssen so gebaut werden, dass sie den Gegebenheiten und Witterungsbedingungen vor Ort genügen – ein Schwerlasttisch dient als robustes Fundament des 120 Kilogramm schweren Roboterarms.
In einem digitalen Zwilling, also einer virtuellen Kopie des Systems, werden Bewegungssteuerung und Sensorverarbeitung vorab getestet. „Das ist zum Beispiel wichtig, weil wir dann die beste Führung des Schlauches herausfinden können. Ist ein Bauteil im Weg? Ist der Bewegungsradius eingeschränkt?“, erklärt Senkbeil. Anhand der Daten werden anschließend ein Anforderungsprofil und konkrete Empfehlungen für die Umsetzung auf ein reales Schiff zusammengestellt. Als Anwendungsbeispiel dient der Forschungskatamaran der CAPTN-Initiative MS Wavelab. Am Ende des dreijährigen Forschungsprojekts soll daher nicht nur klar sein, wie der Betankungsroboter konzipiert sein muss, sondern auch, welche Voraussetzungen schiffseitig notwendig sind. Dazu gehören der maximale Abstand zwischen Katamaran und Roboter, die Konstruktion der Betankungsschnittstelle sowie die Varianten zum Einrasten des Stutzens.
Im Endeffekt soll die Betankung in einem Bruchteil der Zeit erfolgen, die beim manuellen Vorgang durch Menschenhand nötig ist. Zudem soll durch den Einsatz des Roboters auch das Risiko von Unfällen reduziert werden. „Natürlich denken wir Sicherheitsmechanismen mit. Ein Emergency Disconnect – also ein schneller Abkopplungsvorgang beim Auftreten von Fehlern – ist unbedingt erforderlich. Denkbar ist auch, eine Kamera zu installieren, die den Betankungsvorgang extern überwacht und Unregelmäßigkeiten erkennt. Automatisierte Systeme können einfach schneller reagieren als Menschen“, sagt Senkbeil. Daher ist auch die Übertragung der Daten des Betankungsvorgangs an ein Kontrollzentrum in seinen Augen nur bedingt sinnvoll. „Die Echtzeitfähigkeit ist vor allem dann gegeben, wenn wir alle Prozessschritte des Betankungsvorgangs innerhalb einer zentralen industriellen Steuerung abarbeiten. Ein industrielles Steuerungssystem ist in der Lage, innerhalb von Millisekunden auf Ereignisse zu reagieren und kann somit eine sensorgeführte Roboterbewegung steuern, die notwendig ist, um den Betankungsvorgang durchzuführen. Diese Reaktionszeiten wären von einem Menschen nicht leistbar.“ Nichtsdestotrotz können im realen Betrieb die Daten zur Kontrolle und Überwachung an eine Leitstelle an Land übertragen werden. Als Nächstes folgt die Umsetzung in die Praxis. Erste Versuche unter realen Bedingungen sind für dieses Jahr geplant.
Das Forschungsvorhaben erhält im Rahmen des WIR!-Bündnisses CAPTN Energy Fördergelder in Höhe von 380.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Geleitet wird das Projekt von den FH-Professoren Dr.-Ing. Christoph Wree und Dr.-Ing. Bernd Finkemeyer.